Das Thema: »Wann ist die Maschine ein Mensch« bewegt die Menschheit schon so lange, dass sie in unser kulturelles Denken unauslöschlich übergegangen ist, und es ist das Kernthema von Kapitel 7 »Vom Homunculus zu Alexa – Geschichte und Perspektive der Künstlichen Intelligenz«. Ein menschliches Gehirn besteht zu rund 90 Prozent aus Flüssigkeit; man könnte es also als einen »denkenden Wasserkrug« bezeichnen. Der denkende Wasserkrug ist das größte Mysterium, das wir kennen, und wir tragen es ständig mit uns herum. Der Sprung von einfachen Mechanismen wie Reflexen und anderen Grundfunktionen des Körpers zu höchsten Gedankenleistungen und Gefühlswelten ist so komplex, dass wir sie nicht darstellen können. Wenn wir also in einschlägigen Medien lesen, das Gehirn stehe kurz davor, entschlüsselt zu werden, ist das nur eines: vollkommen falsch! Auf der Grundlage der komplexen raum-zeitlichen Geometrie der sogenannten »unbelebten« Natur hat sich das Leben nach bestimmten Gesetzen entwickelt. So sieht es bereits die biblische Tradition, so sahen es die griechischen Naturphilosophen, so sahen es Theologen des Mittelalters und so sehen es die Wissenschaftler in der heutigen Zeit. Diese Geometrie bildet die Voraussetzung für den hoch geordneten Ablauf Tausender biochemischer Reaktionen, die in der Synthese der DNA und der sie enthaltenen Chromosomen gipfeln, der komplexesten Moleküle in unserem Universum und Informationsträger von Leben und Entwicklung. Ein wesentlicher Schritt zur Erkenntnis dieser Komplexität war die kurz nach Goethes Tod gemachte Entdeckung, dass alle Lebewesen aus einzelnen Zellen aufgebaut sind. Die Zahl der verschiedenen synthetisierten Verbindungen in einer einzigen Zelle umfasst mehr Stoffe als die gesamte Produktpalette der BASF, des größten Chemiekonzerns der Welt. Alle Menschen sind biologisch-technische Meisterwerke, deren Genialität wir nur ansatzweise begreifen können. Und das Beste ist, dass wir alle einzigartig sind. Doch ist diese in sich geschlossene Abgeschiedenheit des menschlichen Denkens das Beste an sich, denn der Gewinn ist nichts Geringeres als die Individualität.
»Irgendwie hat man das Gefühl, dass sich der Mensch seiner Selbst schämt angesichts der Technik, die er für maßlos überlegen hält. Das kann im äußersten Fall sogar so weit gehen, dass dies den Wunsch begründet, selbst so perfekt wie eine Maschine zu sein. Ein neuer Glaube an Götter, die wir selbst erschaffen, scheint zu entstehen – so könnte man das etwas ketzerisch zum Ausdruck bringen.« (S. 24)